Dieses Jahr kann in Sachen Albumveröffentlichungen nicht besser beginnen, wie wir finden: am 13. Januar 2023 veröffentlicht der queere schottische Shootingstar Joesef sein langersehntes Debütalbum “Permanent Damage”. Das Album wurde zusammen mit Barney Lister (Obongjayar, Joy Crookes, Celeste) produziert und zeigt Joesefs Entwicklung vom Bedroom-Pop-Newcomer zu einem Meister und Co-Produzenten von New Soul, verwurzelt in neuem Herzschmerz. Der 26-Jährige besitzt ein Talent, die Seele einzufangen. Aus seinem Debütalbum erkundet der autodidaktische Künstler neue Bereiche mit seinen Produktionen, konzentriert sich aber immer auf das enorme emotionale Gewicht seiner Lyrik, die er selbst als "pure working class torch songs" beschreibt. Seine Songs sind unverblümt und schmerzhaft ehrlich, aber mit einem Sinn für Humor, der die harte Wahrheit unterstreicht. 2020 landete Joesef auf der BBC Sound of 2020 Longlist, spielte Support für Artists wie Arlo Parks, Rina Sawayama oder neulich auch Paolo Nutini, und wurde von internationalen TastemakerInnen (von NME, Vogue, COLORS oder BBC Radio bis hin zu Musikexpress oder FluxFM hierzulande) und Promis wie Sam Smith oder Mark Ronson für seine gefühlvollen “sad boy bangers” gelobt. Sein Sound ist eine Mischung aus Bedroom Pop, Indie, Motown, Soul und R&B - irgendwo zwischen Amy Winehouse und Frank Ocean. Hinzu kommen noch seine humorvolle, selbstironische Art und seine persönlichen Lyrics über Herzschmerz und Liebe.
Joesef ist eine junge Seele mit einer alten Seele – und ein Meister des neuen Soul. Er ist ein Künstler, der keine Angst davor hat, seine Seele zu offenbaren. Nur neun Monate nach seinem ersten Gig wurde der schottische Singer-Songwriter mit der goldenen Stimme von den BBC-Hörern ins BBC Sound of 2020-Ranking gewählt. Es folgten mehrere Single- und EP-Veröffentlichungen. Danach verbarrikadierte er sich monatelang in einem Studio in Brixton und arbeitete an seinem Debütalbum. Jetzt ist es vollendet und zeigt auf berührende, erschütternde und kraftvolle Weise die Bereitschaft und den Willen des Künstlers, mit seiner Musik richtig in die Tiefe zu gehen, dorthin, wo es weh tut. Sogar im Titel des Albums steht es fett und unverblümt. "Vorher liebäugelte ich mit dem Titel 'Caught in an Endless Sunday', was eine Textzeile aus 'Fire' ist“, erklärt der Musiker aus Glasgow und bezieht sich auf die Single, die im September 2021 kurz vor drei ausverkauften Shows in der East Londoner Hoxton Hall erschien. In dieser satten, elektronischen Soul-Ballade zeichnete Joesef ein lyrisches Bild, wie nur er es kann: “I had to burn my house down just to forget the way we used to lie drunk on the floor, just drinking all day.” "Das bin ich mit meinem Ex", sagt er über die Protagonisten von 'Fire'. "Rückblickend bestand unsere ganze Beziehung darin, uns zu betrinken. Es war verrückt, aber ich habe es geliebt. Es hat nicht gut geendet, wie man sieht, aber es war Klasse, solange es dauerte. Aber der Song ist nicht kathartisch – der Text in der Bridge räumt da jeden Zweifel aus: ‘There isn’t a fire hot enough to burn you out of my mind.’ Es geht um die zyklische Natur von Herzschmerz: Egal wie sehr man versucht, ihm zu entkommen, er ist immer da.“ "Was den Sound angeht, war dieser Song für mich eine Art Durchbruch", fügt er hinzu. "Er ist cineastisch, wie eine James Bond-Titelmelodie.“ Was die Inspiration für den Albumtitel angeht: Als Joesef in der ersten Hälfte dieses Jahres mit dem Produzenten Barney Lister (Joy Crookes, Celeste) in The Dairy im Süden Londons arbeitete, wurde ihm klar, dass die 13 Songs, die er geschrieben hatte, insgesamt von viel mehr handeln als von einem tristen, verkaterten Sonntag."Die erste Idee passte nicht wirklich dazu, wie düster einige der Songs auf dem Album sind. Dann, kurz vor der Deadline, sah ich mir eine Packung Kippen an: 'Rauchen verursacht bleibende Schäden' stand da. Und ich dachte, das klingt doch nett." Dies ist also 'Permanent Damage', ein klassisches Trennungsalbum, voller Herz und Schmerz, aber auch voller Heilung. "Der Titel passt zum Thema der Platte. Für mich geht es um die Dauerhaftigkeit von Herzschmerz. Diese Erfahrung hat die Art und Weise verändert, wie ich durch die Welt gehe, wie ich mit meinen Freunden interagiere, wie ich mich in neuen Beziehungen verhalte. Aber permanenter Schaden bedeutet für mich nicht unbedingt etwas Negatives. Es ist ein anderes Wort für Veränderung." Auch Schäden können lehrreich sein, denn sie "zeigen uns, was wir verdienen oder nicht verdienen". Diese Gefühle und Erinnerungen, gute wie schlechte, sind in seiner jüngsten Single 'East End Coast' zu hören, einem Song, der von Nostalgie und einem gewaltigen Drumbreak getragen wird. "Die East End Coast in Glasgow bildet das Ufer des Flusses Clyde; nicht gerade der schönste Fluss", lacht Joesef, der Ende 2020, zwischen zwei Lockdowns, nach London gezogen ist. "Es ist ein Insider-Witz zwischen mir, meinem Ex und meinen Kumpels. Es geht um die verrückten Dinge, die wir früher angestellt haben – und es geht auch darum, dass ich Glasgow vermisse." Weitere Push/Pull-Effekte – geografisch, emotional, sexuell – finden sich in einem weiteren Album-Highlight: 'Moment' ist vielleicht Joesefs poppigster … Moment. Wie er selbst es treffend beschreibt, ist der Track "ein Knaller. Ein schneller, treibender Knaller. Ich ging zurück nach Glasgow, traf meinen Ex – und wir schliefen miteinander. Aber etwas hatte sich verändert, das Gefühl war nicht mehr da. Es geht also darum, dass man sich wünscht, es könnte wieder so werden wie früher, wenigstens für einen kleinen Moment." Als Teenager kannte der Junge aus dem East End von Glasgow niemanden in der Musikbranche. Er hatte nur ein kurzes Jahr in einem Music Production Kurs absolviert ("Ich kam einfach nicht mit den Kabeln und so einem Scheiß klar. Aber ich habe gelernt, wie man Ableton benutzt."). Und auch wenn er während seiner Kindheit von früh bis spät von den Lieblingsplatten seiner Mutter umgeben war (Al Green, The Mamas and the Papas, Marvin Gaye, Donny Hathaway), gab es kein Geld für Musikunterricht. Joesef brachte sich also selbst das Notenlesen und die Technik bei und lernte Gitarre, Bass, Keyboards und Software. Was Konzerte anging, verließen er und sein Manager, ein Kumpel von der Musikhochschule, sich gerne auf sich selbst: Sie beschlossen, dass sein erster Gig erst dann stattfinden würde, wenn er ausverkauft war, aber auch bevor er Musik veröffentlicht hatte. Und es musste King Tut's Wah Wah Hut sein, ein legendärer Veranstaltungsort in Glasgow. Die beiden überschwemmten die Stadt mit Flyern, posteten 15-Sekunden-Teaser auf Instagram und sorgten für Mund-zu-Mund-Propaganda, zum Teil über die Kunden, die Joesef während seiner 40-Stunden-Wochen im Solid Rock Café traf. Sie mieteten sogar eine Plakatwand. Trotzdem wusste niemand, wer Joesef war oder was er war – ein DJ? Eine Band? Ein Engländer? – und es war ein Glücksspiel. Aber es zahlte sich aus, denn das Konzert war bis unter die Decke mit begeisterten, neuen Fans gefüllt. Auf diesen Durchbruch am 2. März 2019 folgte seine Debüt-EP 'Play Me Something Nice' und dann Ende 2020 'Does It Make You Feel Good?'. "Ich finde, ich klinge darauf wie ein kleines Baby", sagt er jetzt. "Meine Stimme hat sich total verändert. Ich habe nur leise in meinem Schlafzimmer gesungen. Aber mittlerweile habe ich gelernt, besser zu singen, besser zu produzieren und Songs besser zu strukturieren. Ich liebe diese EPs immer noch, sie fangen diese Zeit in meinem Leben perfekt ein. 'Limbo' ist immer noch einer meiner Lieblingssongs – es war einer der ersten Songs, bei dem ich genau das sagen konnte, was ich sagen wollte." Und er fährt fort: "Ich glaube, wenn man nur ein begrenztes Wissen hat, wird man kreativer – man macht Sachen, die noch niemand gemacht hat. Wenn ich mehr über Musikproduktion wüsste, würden diese Songs zu sauber klingen." Bei den Aufnahmen zu seinem Debütalbum, die sich über den Spätsommer 2021 bis in den Frühsommer 2022 erstreckten, konzentrierten sich Joesef und Lister darauf, den Songs des Sängers und den Umständen ihrer Inspiration und Entstehung gerecht zu werden. Insofern war der "familiäre" Charakter der Musikgemeinschaft in The Dairy ein Geschenk. Und seine neue musikalische Basis brachte einen unerwarteten Bonus mit sich: eine Freundschaft mit Guy Garvey von Elbow, der sich ebenfalls in The Dairy aufhielt und dessen "lupenreine Arbeiterklasse-Hymnen" für Joesef sehr wichtig sind. Garvey sang sogar auf dem coolen, lässig jazzigen 'Apartment 22'. "Wir brauchten ein bisschen mehr Textur in dem Song, also haben wir ihn einfach gefragt. Und er ist ein echter Gentleman." Joesef und Lister arbeiteten eng und mit minimaler Hilfe von außen zusammen und waren, wie er es ausdrückt, "wild entschlossen und im Studio eingesperrt. Aber es war fantastisch, sehr angenehm für mich, sehr gemütlich – wie ein Schlafzimmer". Das war besonders treffend für 'Just Come Home with Me'. Der Song strahlt eine schwermütige Atmosphäre aus, wie ein Abend, der sich dem Ende zuneigt, eingehüllt in Reverb und mit hautnahem, intimem Gesang, der die rohen Emotionen des Themas umspielt. Joesef schrieb den Song allein, als er noch in Glasgow lebte, und es war einer der ersten, die er Lister vorlegte. "Die Produktion des Songs hebt dich auf und lässt dich fallen. Er ist sehr verträumt und wirkt ein bisschen trippy. Es ist einer meiner Lieblingssongs auf dem Album, auch wegen seiner Entstehung – der Gesang ist ein Original-Demo, das ich in meinem Schlafzimmer in Glasgow aufgenommen habe. Das konnte ich einfach nicht besser hinkriegen. Ich hatte das Gefühl, dass ich genau das gesagt habe, was ich sagen wollte, als ich dieses Lied gemacht habe, und es macht mich immer noch traurig, wenn ich es mir anhöre." In 'Borderline', dem wahrscheinlich ruhigsten Moment des Albums, ist die Intimität noch deutlicher zu spüren. "Das ist vielleicht der Song, den ich am meisten liebe, allein schon wegen der Gefühle, die er in mir auslöst – ich weine, wenn ich ihn singe. Ich denke, er gibt den Hörern eine kleine Verschnaufpause. Viele der Songs sind ziemlich groß, aber dieser ist eher zurückhaltend. Einer meiner größten Songs ist 'Comedown', sagt er über seinen 2021er Track, "und der besteht nur aus einer Gitarre und Gesang“. "'Borderline' macht auch im Hinblick auf die Gesamtgeschichte des Albums Sinn", fährt er fort. "Ich habe den Song über einen Jungen geschrieben, den ich nach dem Jungen getroffen habe, über den es in diesem Album hauptsächlich geht. Er war nett und bedingungslos liebevoll zu mir, er tat alles für mich. Aber ich konnte es einfach nicht annehmen, weil ich so kaputt war von dem Loch, in das mich die vorherige Beziehung gerissen hatte. 'Borderline' ist also traurig für mich, denn es ist nichts Schlimmes passiert, es war nur der falsche Zeitpunkt." Da das Album Anfang nächsten Jahres erscheinen soll, verteilt Joesef seine Schätze jetzt mit Bedacht. Die nächste Singleauskopplung ist 'Joe', ein opulenter Dancefloor-Filler, in dem sich hinter dem ersten optimistischen Eindruck eine Menge verbirgt. "Auch diesen Song habe ich alleine in einer ruhigen Minute geschrieben. Er ist recht traurig und zurückhaltend. Aber Barney meinte, wir könnten mehr daraus machen, weil er so eingängig ist. Das Thema geht mir selbst recht nahe", gibt er zu. "Es geht darum, mich selbst nicht wirklich zu mögen. Es hört sich an, als würde ich über eine Beziehung sprechen, aber eigentlich geht es um eine Beziehung zu mir selbst. Aber nachdem wir die großen Fleetwood Mac-Drums und ein bisschen Bass hinzugefügt hatten, klang es am Ende ziemlich frisch. Es ist einer dieser Songs, bei dem man, wenn man nicht genau hinhört, nicht merkt, dass er ziemlich deprimierend ist." Joesef ist ein aufgeschlossener, fröhlicher und witziger Typ. Bei all den Tränen – wörtlich und metaphorisch – in seinen Liedern, kann er auch über seine Traurigkeit lachen, wie das Publikum bei seinen unterhaltsamen Live-Shows bestätigen wird. Er weiß auch, dass Kreativität letztlich Katharsis bedeutet: Am Ende ist alles gut, wie auch der letzte Track des Albums, 'All Good'. Aber um an diesen Punkt zu gelangen, musste er Songs schreiben, die nackt und schmerzhaft ehrlich sind. Die Kraft der Wahrheit singen, wenn man so will. Es gab keine andere Möglichkeit. "Ich habe das Gefühl, dass ich in meinem täglichen Leben ein ziemlich verschlossener Mensch bin, ich scheue mich davor, anderen zu sagen, wie ich mich fühle. Die Musik ist mein Ventil, denn ich mache keine Therapie oder so etwas. Wenn ich keine Musik hätte, wäre ich wirklich am Arsch – ich wäre wahrscheinlich ein Alki oder so", sagt er mit einem Lächeln. Wie Douglas Stuart – der mit dem Booker-Preis ausgezeichnete Autor von Shuggie Bain und ebenfalls aus dem Glasgower East End stammend, mit dem er inzwischen eng befreundet ist – war Joesef lange Zeit verschlossen. Als dann jeder von ihnen eine Plattform zum Schreiben fand – in Form von Prosa oder Liedern –, brachen diese aufgestauten Gefühle und Frustrationen, die sich im Laufe der Jahre angesammelt hatten, in einem poetischen Strom hervor. Auch wenn er jetzt darüber spricht, ist Joesef eloquent, leidenschaftlich, lyrisch. "Ich habe das Gefühl, dass ich meine Erfahrungen als schwuler Jugendlicher in Glasgow heruntergespielt habe. Einfach weil es mir nichts bringt, es für mich selbst aufzuwärmen. Aber, ja, es macht Sinn. Es ist so schön, dieses Ventil zu haben, nach all den Jahren, in denen ich mir auf die Zunge gebissen habe, in denen ich auf eine bestimmte Art und Weise gegangen bin, in denen ich auf eine bestimmte Art und Weise geredet habe, nur um zu vermeiden, dass mir der Kopf eingeschlagen wird. Ich kann mich zwar verteidigen und auf mich selbst aufpassen – und ich habe zwei ältere Brüder –, aber es war immer besser, mich ein bisschen anzupassen. Und ich glaube, ich wäre schon etwas früher zur Musik gekommen, wenn da nicht diese Geisteshaltung gewesen wäre, den Flow nicht stören zu wollen. "Also, ja, die Musik war mein Ventil, genauso wie das Schreiben für Douglas. Man kann seine eigene Geschichte erzählen, man kann die Kontrolle über sein eigenes Narrativ übernehmen. Das ist wirklich wichtig. Die Leute können dich nicht einfach eine Schwuchtel nennen. Du bist mehr als das. Du bist ein facettenreicher Mensch, der so viel mehr zu bieten hat als seine Sexualität. Das war mir schon immer wichtig, und deshalb habe ich mich auch immer etwas unwohl dabei gefühlt, wenn sich die Leute nur auf meine Sexualität konzentriert haben. Ich bin das – aber ich bin auch so viel mehr." Mit 'Permanent Damage' beweist Joesef das auf wunderbare Weise. Er zeigt sich komplett und mit allen Facetten auf einem Album, das verspricht, mit seinem Licht das Jahr 2023 zu erhellen. In seinen Texten werden wir immer wieder an seine Herkunft aus Glasgow – einer Stadt der Bullshit-freien, griffigen Ehrlichkeit – erinnert, wenn die Authentizität und Direktheit grell und hart aufleuchten. "Wenn ich Leute singen höre und es ihnen nicht abkaufe, berührt es mich nicht. Das ist deine Aufgabe als Musiker: die Leute zu bewegen und ihnen Musik zu geben, die sie zu ihrer eigenen machen und mit ihren eigenen Gefühlen verbinden können. Das ist der Grund, warum und wie ich Musik liebe. Ein Song kann mir den Tag versüßen oder ihn ruinieren. Das liebe ich." Bist du bereit, dir das Herz brechen zu lassen?